Mission ist ein Menschenrecht
Wer ist hier eigentlich der Schuldige? Die Mörder, die Hilfskräfte entführen und brutal töten, oder Krankenschwestern, die aus christlicher Motivation humanitäre Hilfe leisten?
Seit dem Tod zweier Bibelschülerinnen im Jemen wurden von einigen Medien Vorwürfe gegen «bibeltreue Christen» vorgebracht, weil sie in solchen Ländern humanitär aktiv sind. Selbst einige Kirchenvertreter reagierten mit Unverständnis und distanzierten sich öffentlich von evangelikalen Hilfswerken und Missionsgesellschaften.
Religion: ein Menschenrecht
Man fragt sich angesichts mancher Presseveröffentlichungen zunächst: Wer ist hier eigentlich der Schuldige? Die Mörder, die Hilfskräfte entführen und brutal töten, oder Krankenschwestern, die aus christlicher Motivation humanitäre Hilfe leisten? Man fragt sich auch: Warum kritisiert keiner die Menschenrechtssituation im Jemen? Wo sind die Voten, die Religionsfreiheit in der arabischen Welt fordern? Weiss denn nach 60 Jahren «Allgemeiner Menschenrechtserklärung» niemand mehr, dass die freie Religionsausübung ein elementares Menschenrecht ist? Verkehrte Welt! Noch wichtiger: Wer widerspricht den aktuellen Beiträgen, die Mission verbieten wollen? Seit dem 20. Juni wird auf «Spiegel-Online» die Frage diskutiert, ob Deutsche in islamischen Ländern missionieren sollten. Die Mehrheit der fast 1.000 Einträge meint: Nein, sollte man nicht. Mission sei anmassend und gefährlich. Einige fordern sogar ein gesetzliches Verbot von Missionsgesellschaften. Andere finden es generell merkwürdig, dass in einem jemenitischen Teehaus ein Christ über seinen Glauben redet.
Mit zweierlei Maß
Weiss denn kein Mensch, dass auch die (gewaltfreie!) Werbung für religiöse Überzeugungen ein fundamentales Recht aller Menschen ist? Dass nicht nur Werbung für Autos, Zeitungen und politische Parteien legitim ist? Haben wir denn nichts aus den Diktaturen und Ideologien des 20. Jahrhunderts gelernt? Und nach innen sei gesagt: Eine Kirche, die nicht mehr das Evangelium verkündet, gibt sich selbst auf. Der christliche Glaube war immer missionarisch – anders ist er überhaupt nicht zu begreifen. Verkehrte Welt! Dabei ist es bisher reine Spekulation, ob der christliche Glaube bei der Bluttat im Jemen überhaupt eine Rolle gespielt hat. Zu Recht kann man fragen, ob das Risiko des Einsatzes im Jemen zu hoch war, auch wenn die Praktikantinnen auf die Gefahren aufmerksam gemacht wurden und auf eigenes Risiko gingen. Solche Fragen stellt sich aber jede Hilfsorganisation.
Erstaunlich hingegen: Im Jemen tauchten sofort auch europäische Journalisten auf. Kann man das denn verantworten? Handelt ein Journalist, der tolle Bilder aus gefährlichen Gebieten mit der Kamera einfängt und kommentiert, besonnener als zwei Krankenhelferinnen, die (aus der eigenen Tasche finanziert!) humanitäre Hilfe leisten? Hier wird mit zweierlei Mass gemessen. Verkehrte Welt!
Wer ist der Dumme?
Man stelle sich einmal Folgendes vor: Ein Muslim arbeitet freiwillig und unbezahlt als Arzt in einem deutschen Krankenhaus, kommt nach Feierabend mit einem Deutschen ins Gespräch über den Glauben, empfiehlt ihm, mal im Koran zu lesen – und wird einige Tage später von einem deutschen Psychopathen auf offener Strasse entführt und dann erschossen. Daraufhin gibt es eine grosse Empörung in der weltweiten islamischen Presse – aber nicht über den deutschen Mörder, sondern über den Muslim, der so dumm war, nach Deutschland zu gehen, um dort medizinisch zu helfen und über seinen Glauben zu reden! Eine verrückte Geschichte? Stimmt, aber genau das passiert anders herum derzeit in den Medien. Verkehrte Welt!
Die Evangelikalenschelte
Manche Medien, selbst der «Deutschlandfunk», bedienten sich reflexartig der Evangelikalenschelte samt Schlagworten wie «sektiererisch», «strenggläubig» und «radikal fundamentalistisch». Hämisch zog der «Spiegel» über die Bibelschule Brake her, bei der man schon morgens um 5.30 Uhr aufstehen müsse (für «Spiegel»-Reporter sicher eine ungewohnte Zeit!). Ausserdem ständen dort Fächer wie «Mission» auf dem Lehrplan (welch eine Überraschung) – damit wäre doch alles klar! Man ging auch noch einen Schritt weiter: «Es ist, in Gottes Namen, ein Milieu, dessen Tonfall sich zuweilen nur in Nuancen von dem fanatischer Muslime unterscheidet.» War damit der Tonfall derer gemeint, welche die Geisel ermordeten? Auch der Deutschlandfunk stellte Täter und Opfer auf eine Ebene. Verkehrte Welt!
Mir kommt in den Sinn, dass es schon einmal jemanden gab, der freiwillig in eine gefährliche Krisenregion ging und dabei sein Leben verlor. Auch er hatte eine ziemlich schlechte Presse. Viele höhnten: «Er ist doch selber schuld!» Manche würden ihm aktuell noch hinterherrufen: «Wärst du doch lieber zu Hause geblieben. Was mischt du dich ein, du Gutmensch!» Nur gut, dass der vor 2.000 Jahren nicht darauf hörte. Nur gut, dass er damals kam, um gerade diese verkehrte Welt zu erlösen. Sie hat es bitter nötig, offensichtlich auch heute. (Anmerkung von nefesch: Wer bis hier gelesen hat, wird wissen, dass dieser „Jemand Gutmensch“ Jesus Christus war, der von Gott in diese verdrehte Welt gesandt wurde, um zu retten, die sich helfen lassen.)
Der Autor, Dr. Stephan Holthaus ist Dekan der Freien Theologischen Hochschule Gießen und Mitglied des Vorstands der Bibelschule Brake.Quelle: factum 5/2009, www.factum-magazin.ch