20 September 2009 ~ 0 Comments

Kultgesetze und Moralgesetze

Frage
Wenn Paulus schreibt, dass die jüdischen Speisegesetze für uns Christen nicht mehr gelten, weil Jesus die Erfüllung des mosaischen Gesetzes ist, warum ist dann nicht auch Sex mit Jedermann erlaubt ?

Antwort
Auf den ersten Blick sind die Vorschriften der Torah für uns verwirrend, doch es gibt eine gute Methode, Klarheit zu gewinnen:

Gott zeigte seinem Volk Israel am Anfang bei vielen Gelegenheiten, dass er der lebendige und einzige Gott ist, allmächtig und absolut gut und völlig anders als die Götzen der Völker ringsum. Er lehrte sie, dass ER der  h e i l i g e  Gott ist, der absolut rein ist und Unrecht hasst. Das Volk Israel sollte sich von den Unsitten der umgebenden Völker abgrenzen, weil er dieses Volk zum Segen für die ganze Menschheit setzen wollte. Zu diesem Zweck gab er seinem Volk Gebote, durch die sie lernen sollten, einen  U n t e r s c h i e d  zu machen zwischen Gewöhnlichem und Heiligem, zwischen Reinem und Unreinem. Gott hat sich das Volk Israel als persönliches Eigentum aus allen Völkern erwählt, um der Welt durch sie den Erlöser, den Messias zu schenken. Und mit diesem außergewöhnlichen Auftrag musste sich dieses Volk in der Beziehung zu dem lebendigen Gott von allen anderen Völkern wesentlich unterscheiden.

Jesus, der Messias, sagte, dass er kein Tüpfelchen vom Gesetz Gottes aufheben wolle. Er selbst i s t  die Erfüllung aller zeichenhaften Rituale und Vorschriften des Gesetzes, weil  e r  der in den Opferhandlungen vorgezeichnete Erlöser ist.

Die Opfertiere im jüdischen Tempelkult, durch deren Blut die Sünde „bedeckt“ wurde, mussten völlig makellos sein, um als Opfer für Gott dienen zu können.
Ein Mensch, der durch seinen Opfertod die Schuld aller Menschen sühnen kann, muss ebenso völlig makellos und ohne Sünde sein, um den heiligen Gott versöhnen zu können.
Gott spricht in der Bibel: „… die Seele, die sündigt, soll sterben.“ Gott ist das Leben und Sünde trennt den Menschen von Gott – also vom Leben.
So stirbt jeder Mensch, weil jeder sündigt.       Jesus, der Messias ist der einzige Mensch, der Gott vollkommen gehorsam war und ohne Sünde. Deshalb konnte er, der keine Sünde hatte, die Sünden aller Menschen mit seinem Tod sühnen.

Jesus macht deutlich, dass mit ihm die Zeit des Gesetzes vorüber ist, weil das Gesetz des Mose den Menschen nicht gerecht machen konnte – es zeigt uns lediglich, dass wir von Natur aus nicht fähig sind, Gottes gute Gesetze einzuhalten. Wir müssen sündigen.
Man kann also das „Gesetz, das der HERR durch Mose geboten hatte“ aufgliedern in die jüdischen Kultvorschriften und die universalen Moralgesetze.

D e r   K u l t u s mit seinen zeichenhaften Handlungen und Einrichtungen wies auf den heiligen Gott und den Retter hin, der kommen sollte – und das Volk lernte so zwischen Heiligem und Gewöhnlichem zu unterscheiden und Gott zu gehorchen.

D i e   M o r a l g e s e t z e jedoch sind den Menschen angeboren und in unserem Gewissen verankert. Sie bleiben immer in Kraft. Jesus sagt, dass alle diese Gesetze in einem zusammengefasst werden, nämlich Gott und die Menschen zu lieben.

Matth. 22, 35-40: „… und einer von ihnen, ein Gesetzesgelehrter, stellte ihm eine Frage, um ihn zu versuchen und sprach: Meister, welches ist das größte Gebot im Gesetz? Und Jesus sprach zu ihm: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Denken« (5. Mose 6,5). Das ist das erste und größte Gebot. Und das zweite ist ihm gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«
(3. Mose 19,18).
A n   d i e s e n   z w e i   G e b o t e n   h ä n g e n   d a s   g a n z e   G e s e t z  
u n d  d i e  P r o p h e t e n.
So hängen Christen, deren Leben Jesus gehört, nicht mehr am Buchstaben des Gesetzes, sondern Jesus selbst wohnt in ihrem Herzen. So können sie durch die Liebe zu Gott tun, was gut ist.

Abgesehen vom Erziehungszweck des Gesetzes zur Einübung des Gehorsams gegenüber Gott, haben diese Vorschriften für reine und unreine Tiere, die Hygiene-Bestimmungen und die Ernährungs-Vorschriften auch heute noch ihren vollen Wert für ein gesundes Leben.

Den Israeliten war es z.B. verboten, tierisches Fett und Innereien zu essen, Muscheln und Aal. Schweine gehören zu den unreinen Tieren und ihr Verzehr war verboten.
Alle hier aufgeführten Nahrungsmittel verursachen beim Menschen Krankheiten.
Fett, auch das fette Schweinefleisch, verursacht Verengung der Blutgefäße durch Ablagerung von Cholesterin, was zum Herzinfarkt führen kann. Innereien wie Leber und Nieren enthalten heute den ganzen Cocktail von Giften, die sich durch das Futter in diesen Organen ansammeln. Muscheln filtern ihre Nahrung aus dem Meerwasser und enthalten so auch alles, was dort an Krankheitskeimen und Schadstoffen eingeleitet wurde.

Bei uns in Europa ist z.B. der Gebärmutterhalskrebs, der durch Papilloma-Viren verursacht wird, weit verbreitet. Doch in Völkern, in denen die männliche Beschneidung üblich ist, kommt diese Form des Krebses kaum vor.

Wenn ich also Schweinefleisch esse, dann verletze ich nicht die Liebe – ich lebe nur nicht gesund. Wenn ich jedoch alle paar Wochen meine Freundin wechsele oder alle paar Jahre meine Ehefrau gegen eine neue austausche, dann verletze ich sowohl die Liebe zu den Menschen als auch zu Gott, denn ER will, dass wir einer einzigen Frau das ganze Leben lang die Treue halten. Es ist gut, nur mit dieser einen Frau und sonst mit niemandem Sex zu haben.

Und hier eine Vertiefung der Frage zur Beschneidung des Mannes:

Die Beschneidung der Jungen am achten Tag nach der Geburt (hebr. brit mila ) gehört zu den wichtigsten Momenten im Leben eines Juden. Sie geht zurück auf Gottes Bund mit Abraham: Das Kind wird aufgenommen in die Gemeinschaft des Volkes Israel und in Gottes Bund mit seinem Volk.
Dass die Beschneidung an empfindlicher, verborgener und intimer Stelle vorgenommen wird und zugleich nur schwer wieder rückgängig zu machen ist, sagt dabei etwas über ihre geistliche Bedeutung aus: Gott geht es um den innersten Kern der Identität. Sein Zeichen des Bundes ist für den Einzelnen deutlich sichtbar und doch wird es nicht offen zur Schau gestellt, weil es vor allem um die persönliche Beziehung zu Gott geht. Die Beschneidung ist außerdem ein bleibendes Zeichen, das weder von den Launen des Alltags noch vom Verhalten des Menschen abhängig ist. Gottes Bundeszeichen bleibt.

Heute findet die Beschneidung eines jüdischen Kindes meist im Rahmen einer fröhlichen Familienfeier statt und wird durch einen medizinisch geschulten Fachmann ( mohel ) vorgenommen. In der Geschichte des Judentums war es oft gerade die Beschneidung, die von allen jüdischen Traditionen am heftigsten umkämpft war: Säkulare Herrscher wie der syrische König Antiochus (168 v.Chr.) oder der römische Kaiser Hadrian (120 n. Chr.) versuchten, die Beschneidung gesetzlich zu verbieten, was dazu führte, dass viele Juden lieber den Märtyrertod auf sich nahmen oder in den Krieg zogen, als ihre Kinder nicht beschneiden zu lassen. Auch in Deutschland gibt es in neuerer Zeit wieder Debatten darüber, die Beschneidung von Kindern zu verbieten. Man muss jedoch wissen, dass damit nicht nur irgendein religiöser Brauch, sondern das zentrale Zeichen jüdischer Identität auf dem Spiel steht.

Guido Baltes
„Jesus, der Jude, und die Missverständnisse der Christen“
ISBN 978-3-86827-914-6 Verlag der Francke-Buchhandlung

 

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