Sein letztes Gedicht
Ein Dichter – sehnsüchtig, distanziert, kritisch, ehrlich, voll echten Gefühls – und immer auf der Suche. Erst am Ende seines Lebens hat er gefunden. Er starb vor 153 Jahren.
Die Rede ist von Heinrich Heine. Hier ist sein letztes Gedicht:
Zerschlagen ist die alte Leier
am Felsen, welcher Christus heißt.
Die Leier, die zu böser Feier
bewegt ward von dem bösen Geist.
Die Leier, die zum Aufruhr klang
die Zweifel, Spott und Abfall sang.
O Herr, o Herr, ich kniee nieder,
vergib, vergib mir meine Lieder.
Der Kirche ist und ihrem Glauben
manch Spottlied frevelhaft erschallt,
es sollte Zucht und Ordnung rauben
mit weicher Töne Truggewalt.
Die freie Rotte triumphiert,
ich hab ihr manches zugeführt.
O Herr, ich schlag die Augen nieder,
vergib, vergib mir meine Lieder.
Und als des Märzes Stürme kamen
bis zum November trüb und mild,
da hab ich wilden Aufruhrsamen
in süße Lieder eingehüllt.
So manches Herz hab ich betört,
des ew’gen Lebens Glück zerstört.
Gebeugten Hauptes ruf ich wieder:
O Herr, vergib mir meine Lieder.
Zerschmettert ist die alte Leier
am Felsen, welcher Christus heißt.
Die Leier, die zu böser Feier
bewegt ward von dem bösen Geist.
Ach, schenk mir eine Leier neu und mild
vom heil’gen Friedensklang erfüllt.
O neige segnend dich hernieder
und gib mir neue, neue Lieder.