Wird „christlicher Zionismus” zum Schimpfwort?
Der Zugang zum jüdischen Volk unter einem christlichen Banner, selbst in Verbindung mit „Zionismus”, ist nicht einfach. Die Erinnerungen an erzwungene Glaubensübertritte und ungezügelten christlichen Antisemitismus sind viel zu tief verwurzelt, als dass man sie leicht beiseiteschieben könnte. Obwohl es von christlicher Seite her schon seit 40 Jahren Unterstützung gibt, ist die bereitwillige Annahme dieser Unterstützung – als eine aufrichtig gemeinte – ein relativ neueres israelisches Phänomen.
Ich wende mich hier einem Problem zu, das den Begriff „christlicher Zionismus“ betrifft. Dieser Begriff wurde nicht von Juden geprägt sondern von der Christlichen Gemeinde. Es sieht ganz danach aus, dass es innerhalb der traditionellen Gemeinden eine wachsende Feindseligkeit gegenüber Mitgliedern gibt, die Israel mehr lieben als erlaubt. Eine Kirche in meiner Heimatstadt in Pennsylvania hat sich vor kurzem sogar wegen eines Streits über die Unterstützung für Israel gespalten.
An der Spitze dieser Feindseligkeit stehen natürlich Pastoren und Denominationen, die noch immer an der Ersatztheologie festhalten. Zu ihnen stoßen aber auch vermehrt andere Christen, die weder antisemitisch noch antizionistisch sind und die das Konzept einfach nicht verstehen. Sie haben die hebräischen Wurzeln ihres Glaubens noch nicht völlig erkannt und können daher nicht nachvollziehen, warum zionistische Christen Israel so sehr lieben. In ihren Augen stellen wir die Liebe für Israel über die Liebe zur Gemeinde.
Wenn es so weitergeht, könnten christliche Zionisten bald im christlichen Verband nicht mehr willkommen sein.
Befeuert wird das ganze Problem natürlich von den falschen Berichten, die von religiösen und säkularen Antisemiten in die Welt gesetzt werden, mit der Behauptung, der sogenannte palästinensisch-israelische Konflikt sei der Grund, warum Muslime den Westen hassen. Und Israel, sagen sie, sei verantwortlich für die Ursache und die Fortdauer des Problems. Wenn Israel nur das Land zurückgeben würde, das es von den Palästinensern gestohlen habe, dann würde der Frieden im Nahen Osten einkehren und Freude im Rest der Welt. Es steht außer Frage, dass dies kompletter Unsinn ist. Die Lüge wurde nur so viele Male auf so viele Arten und Weisen widerholt, dass sie Realität geworden ist.
Hinzu kommt eine neue ökumenische Bewegung innerhalb des Christentums, die die Sache nur noch komplizierter macht. Sie ist darauf aus, alle großen theologischen Differenzen, die das Christentum in tausende von Religionsgemeinschaften aufgesplittert hat, wieder zusammenzufügen. Das Ziel ist, Jesu Gebet zum Vater über die Nachfolger zu erfüllen: „Damit sie alle eins seien“ (Joh. 17,21). Viele einflussreiche Evangelikale ebnen jetzt den Weg für eine Wiedervereinigung, in der Annahme, alle Wege führen nach Rom. Der Bibel-basierte Protest, der einst die Protestantische Reform ins Rollen gebracht hat, wird minimiert, die Punkte unserer Übereinstimmung maximiert. Selbst das riesige Schisma, das die Kirche in Ost und West gespalten hat, wird leise wieder zusammengefügt werden.
Wenn diese Wiedervereinigung stattfindet, und es sieht ganz danach aus, wird das Christentum wieder die intolerante kirchliche Macht, für die wir uns seit dem Holocaust bei den Juden entschuldigen. Und Christen, die Israel lieben, könnten in ihren Gemeinden vor Ort genauso geächtet werden, wie Israel es derzeit bei ihren Regierungen ist.
Wenn das geschieht, so glaube ich, werden christliche Zionisten gezwungen sein, eine schwere Entscheidung in Bezug auf ihre Loyalität zu treffen. Werden wir auf Israels Seite stehen oder auf der Seite der Religion, die uns vor langer Zeit von den hebräischen Wurzeln unseres Glaubens getrennt und die Familie unseres Messias Jeschua verfolgt hat?
Wenn es hart auf hart kommt, mag es hilfreich sein, sich daran zu erinnern, dass der Begriff „christlich“ oder „Christ“ sein, keine Sache ist, der wir viel Loyalität schulden. Es handelt sich hier nur um eine Bezeichnung, die uns von unseren Feinden auferlegt worden ist, und die wir dann übernommen haben. Und es war keine schöne Bezeichnung. Gelehrten zufolge bedeutete es einst, ein Verschmähter und Verspotteter zu sein. Der Begriff taucht nur drei Mal in der Bibel auf (Apg. 11,26; 26,28; 1.Petr.4,16). Paulus hat es nie benutzt, um Gläubige anzusprechen. Der Name, mit dem sich die frühe Gemeinde selbst oft bezeichnet hat, lautete Mitglieder „des Weges“.
Ich persönlich vermute, dass „christlich sein“ der Begriff sein könnte, auf den sich Jesaja bezieht, wenn er vom Gericht gegen die Verfolger der Nachfolger Gottes spricht: „Und ihr werdet euren Namen meinen Auserwählten zum Fluchwort hinterlassen; und der Herr wird dich töten. Seine Knechte aber wird er mit einem anderen Namen nennen“. (Jes. 65,15)
http://www.israelheute.com/Nachrichten/Artikel/tabid/179/nid/29614/Default.aspx