Maulkörbe
Tuvia Tenenbom: über institutionalisierte Maulkörbe
Zwei Wochen nach den US Wahlen haben sich die Wogen der Trump-Wahl noch keineswegs gelegt. Tief sitzt der Schock in den USA – aber auch in Europa. Audiatur-Online führte mit Tuvia Tenenbom, Autor des kürzlich erschienenen Spiegel-Bestsellers „Allein unter Amerikanern“, ein exklusives Gespräch.
Tenenbom ist in Amerika herumgereist und hat Menschen aller Gruppen und Schichten kennengelernt, um sich ein Bild des gegenwärtigen Zeitgeists in den USA zu machen. Er war von dem Amerika, das er kennenlernte, schockiert.: „Die USA rühmen sich, »das Land der Freien und die Heimat der Tapferen« zu sein. Das wahre Amerika jedoch…..ist weder frei noch tapfer, sondern ängstlich darauf bedacht, alle Freiheiten einzuschränken. Es ist in sich zutiefst gespalten, rassistisch und hasserfüllt.» Kann sich die Menschheit auf die USA verlassen? Ich würde es nicht tun.«„ (Zitat vom Buchumschlag, Suhrkamp)
Audiatur-Online: Herr Tenenbom, Sie wurden vor ein paar Tagen mit dem „Preis für ehrlichen Journalismus“ ausgezeichnet. Enthält der Ausdruck „ ehrlicher Journalismus“ nicht eine Redundanz ? Man würde ja auch keinen Arzt für die erfolgreiche Behandlung von Patienten auszeichnen. Wie verstehen sie diese Formulierung?
Tuvia Tenenbom: Leider ist der Ausdruck „ehrlicher Journalismus“ nicht redundant. Die Realität zeigt, dass viele heutige Journalisten vor allem Meinungen verbreiten, anstatt die Realität wiederzugeben und von ihr zu berichten. Es geht nicht um die Überbringung von „News – as is “ sondern „News, as I would like it“. Ein Beispiel dafür haben wir gerade in den US-Wahlen gesehen: Die Medien haben ja, wie das Resultat zeigt, abseits der Realität berichtet. Ständig wurde gezeigt, wie schlecht Trump ist, und wie toll Clinton und dass sie daher eindeutige gewählt werden würde. Weil die Berichterstattung auf das Wunschdenken und nicht auf der Realität basierte – waren alle vom Ausgang der Wahlen überrascht – sogar die Kandidaten selber! Die Medien waren von der Realität abgeschnitten – und somit die Berichterstattung unehrlich.
Waren Sie über die Wahl Trumps erstaunt?
Nein, nicht im Geringsten. Ich würde sogar sagen, seine Wahl war für mich sehr wahrscheinlich.
Warum? Welche Kenntnis hatten Sie, die wir alle nicht hatten?
Sehen Sie, nachdem ich in großen Teilen Amerikas für mein Buch herumgereist bin, habe ich die Realität kennengelernt, von der ich davor nichts gewusst hatte. Ich habe gemerkt, dass Trump ein Spiegelbild der Amerikaner ist – ein Spiegelbild vom Teil des Amerikaners, das er nicht offenbaren darf.
Das amerikanische Volk ist von einer linken Elite und ihren „erhabenen“ Wertvorstellungen beherrscht. Dazu gehören Ideale wie z.B. „alle Menschen sind gleichwertig“, „Rassismus ist schlecht“, „man muss alle Menschen lieben ganz gleich woher sie kommen“, „Flüchtlingen muss man Einlass geben“ usw.. Die Elite gibt vor, wie man zu denken hat. Die Natur des Menschen ist aber nicht so, man liebt nicht alle gleich, wir haben gewisse Vorurteile und wir empfinden Kritik für Menschen und Bräuche, die unseren westlichen widersprechen. Aber die Leute wissen, dass sie diese Dinge nicht aussprechen – ja, nicht einmal spüren dürfen. Sie tragen einen unsichtbaren Maulkorb.
Können Sie mir ein Beispiel dafür geben?
Obama ist z.B. der formelle Liebling der Elite Amerikas. Ihn zu lieben ist geradezu ein Gebot. Doch was hat er wirklich vollbracht? Was hat er für die Afro-Amerikaner erreicht? Das schlimmste Erwachen meiner Reise war, was in den Städten – in den sogenannten „hoods“ – den schwarzen Ghettos, abläuft. Die Armut, Obdachlosigkeit und die Gewalt in z.B. Detroit, Philadelphia oder Chicago ist unvorstellbar– täglich sterben Hunderte von Schwarzen in isolierten, gefährlichen Stadtteilen der USA – doch wen kümmert’s? Die linken Liberalen, welche ihre aufgeklärten Slogans bei Demonstrationen skandieren – denen ist das völlig egal! Im Prinzip sind sie die größten Rassisten, kalt und gefühllos dem Elend gegenüber, welches sich täglich in ihren eigenen Städten abspielt.
Es ist auch diese linke Elite die sich sehr schnell und oft ungefragt mit antisemitischen Stereotypen gegen Israel ausspricht und große Sorge für die Palästinenser zeigt.
Viele von ihnen waren noch nie in Israel – aber sie haben klare Meinungen gegen Israel – während sie die täglichen Opfer ihrer eigenen Gesellschaft in ihren Strassen völlig ignorieren. Die linke Organisation „Black Lives Matter“ demonstriert z.B. lautstark, wenn ein weißer Polizist einen Afro-Amerikaner tötet – dass aber am gleichen Tag einige Meter entfernt im sogenannten „Ghetto“ zehn Schwarze sich abgeknallt haben, darüber verlieren sie kein Wort.
Den Schwarzen geht es heute keinen Deut besser als vor Obama, oder sogar schlechter. Auf die Frage an einen Afro-Amerikaner, Jake, was sich seit Obama in den US geändert habe, lautete seine Antwort: Ein Schwarzer ist ins Weiße Haus gezogen – das ist alles.
Und worin besteht der Maulkorb?
Dass niemand sagt, Obama hat die Schwarzen im Stich, oder eher – im Slum gelassen. Oder ihn für das Elend der Schwarzen Bevölkerung in seinem Land Vorwürfe machen würde. Oder: Wenn Obama sagt, er würde 10’000 syrische Flüchtlinge in die US aufnehmen – wo sind die Aufschreie über diese kleine Zahl von Flüchtlingen in einem Land wie den USA ? Wer spricht aus, dass die amerikanischen Kriege im Nahen Osten einen Teil des Flüchtlingsproblems herbeigeführt haben? Niemand. Trump wird als Rassist dargestellt, als Xenophob, der eine Mauer bauen will, aber inwiefern unterscheidet er sich wirklich von Obama? Aber so etwas darf niemand aussprechen. Vielleicht sind die Leute nicht mehr fähig, das überhaupt zu erkennen. Die Elite mit ihren Slogans lügt, aber niemand darf das sagen. Dann aber kommt die Wahrheit an den Urnen ans Licht – jene verbotene Wahrheit. Zur Elite heute gehören die Medien und die Universitäten, eine lügende, linksgerichtete Autorität, welche auf aggressivste Art keine anderen Stimmen zulässt und selber zutiefst rassistisch und unmenschlich ist.
Es gab immer schon Eliten, welche vorschrieben, was richtig war und was falsch. Früher war es die Kirche, heute sind es die Universitäten und die Medien. Wir werden von dieser Elite heute regiert, und die Rache gegen sie zeigt sich – immer mit großem Erstaunen – auf Umwegen: Trump, Brexit, AfD, Pegida usw. Im Unterschied dazu, was uns die Medien weismachen, sind diese „Auswüchse“ nicht Ausdruck des primitiven Volkes, sondern die abgespaltene Stimme der durch die linke Elite geknebelte Mehrheit.
Herr Tenenbom, vielen Dank für dieses erhellende Interview!
Tuvia Tenenbom: Das Phänomen Trump – oder die Folgen von institutionalisierten Maulkörben