Teleologie – Wie sich Evolutionsbiologen regelmäßig widersprechen
Teleologie bezeichnet die Tatsache, dass in der Biologie für die Beschreibung von Vorgängen in der Natur und Fähigkeiten der Lebewesen regelmäßig Begriffe verwendet werden, die sonst für zielorientiertes und intelligentes Planen verwendet werden – obwohl viele Biologen ja der Ansicht sind, das Leben sei nicht intelligent geplant.
Beispiele sind, wenn von „genialem Design“ in der Natur und der „Natur als Lehrmeister“ die Rede ist („Bionik: Geniales Design aus der Natur.“ National Geographic Deutschland, Heft 05/2008). Oder wenn (hypothetischen) Naturprozessen Zielorientierung unterstellt wird, wie etwa hier:
„Die DNA-Reperaturmechanismen haben sich so entwickelt, um eher die allgemeinen Verzerrungen des DNA-Rückgrats als die eigentliche Veränderung zu erkennen…“
(Marshall CJ & Santangelo TJ (2020) Archeal DNA Repair Mechanisms. Biomolecules 10, 1472 doi:10.3390/biom10111472)
Der Evolution wird zugeschrieben Strategien zu verfolgen, Einfälle zu haben, Probleme zu lösen und Erfindungen gemacht zu haben. Dabei können bewusstlose Naturprozesse gar keine Ziele verfolgen.
Es sind Begriffe, die sonst nur bei intelligenten und handelnden Wesen verwendet werden. Da stellt sich die Frage, warum Biologen, die für eine rein natürliche Entstehung und Entwicklung des Lebens argumentieren, dabei so oft Begriffe verwenden, die das genaue Gegenteil implizieren?
Naturalisten antworten hier, dass die Verwendung teleologischer Begriffe lediglich metaphorisch gemeint sei. Der Philosoph Michael Ruse schreibt z.B:
„Wir untersuchen Organismen – mindestens ihre Teile – als wären sie erschaffen, als wären sie entworfen worden, und dann versuchen wir ihre Funktionen herauszufinden. Zielorientiertes – teleologisches – Denken ist in der Biologie angebracht, weil, und nur weil Organismen so aussehen, als wären sie konstruiert, als wären sie von einer Intelligenz erschaffen worden.“
(Darwin and Design. Does Evolution have a purpose? Harvard University Press)
Es ist interessant, dass zugegeben wird, dass die Natur den Eindruck einer Schöpfung erweckt und deshalb auch die Verwendung teleologischer Begriffe angebracht sei.
Doch dann stellt sich die Frage, warum die Natur nicht wirklich eine Schöpfung sein sollte? Es schwimmt wie eine Ente, es quakt wie eine Ente, es sieht aus wie eine Ente – Warum sollte es keine Ente sein? Von Naturalisten gibt es verschiedene Versuche sich des Problems der Teleologie zu entledigen:
Darwin wollte mit der natürlichen Auslese einen Schöpfer überflüssig machen, indem er in seinem Buch „Origin of Species“ schreibt:
„Man kann bildhaft sagen, die natürliche Zuchtwahl sei täglich und stündlich durch die ganze Welt beschäftigt, eine jede, auch die geringste Abänderung zu prüfen, sie zu verwerfen, wenn sie schlecht und sie zu erhalten und zu vermehren, wenn sie gut ist. Still und unmerkbar ist sie überall und jederzeit, wo sich die Gelegenheit darbietet, mit der Vervollkommung eines jeden organischen Wesens in Bezug auf dessen organische und unorganische Lebensbedingung beschäftigt.“
Damit widerspricht er sich aber, denn er verwendet hierbei reichlich teleologische Begriffe und beschreibt die natürliche Auslese wie einen personalen Züchter. So ist auch der Begriff „natürliche Auslese“ ein Widerspruch in sich. „Auslese“ impliziert eine gezielte Handlung, während natürliche Prozesse dies eben nicht können.
Auf Kritik zu obigem Zitat antwortet Darwin in seinem Buch „Origin of Species“:
„Man hat gesagt, ich spreche von der natürlichen Zuchtwahl wie von einer tätigen Macht oder Gottheit; wer wirft aber einem Schriftsteller vor, wenn er von der Anziehung redet, welche die Bewegung der Planeten regelt? Jedermann weiß, was damit gemeint und was unter solchen bildlichen Ausdrücken verstanden wird; sie sind ihrer Kürze wegen fast notwendig […] Ich habe auch oft das Wort Natur personifiziert, denn es ist, wie ich gefunden habe, schwer, diese Zweideutigkeit ganz zu vermeiden.
Ich verstehe aber unter Natur nur die zusammengesetzte Wirkung und das Produkt vieler natürlicher Gesetze und unter Gesetz nur die ermittelte Aufeinanderfolge von Erscheinungen.“
Wenn teleologische Begriffe nach dieser Argumentation aber nur methaphorisch wären, müssten sie leicht durch andere Begriffe ersetzt werden können. Allerdings wurde nie ein konkretes Bsp. gebracht, bei dem eine Funktion auch ohne teleologische Begriffe hinreichend erklärt werden könnte. So schreibt der Natur- und Technikphilosoph Mutschler dazu:
„Der Darwinismus trat mit dem Anspruch auf, Finalität durch „natürliche Zuchtwahl“ zu ersetzen. Der Einwand war sofort der, dass auch „natürliche Zuchtwahl“ ein teleologischer Begriff sei. Die Darwinisten konterten, das sei nur eine Redeweise. Eigentlich hätten sie damit etwas ganz anderes gemeint. Dies behaupten sie nun seit 150 Jahren. Wenn in neueren biologischen Publikationen auf Schritt und Tritt teleologische Begriffe vorkommen, so teilen sie uns mit, es sei nur „teleonomisch“ gemeint.
Die Teleologie sei eine abkürzende Redeweise für etwas, das sie auch rein kausalmechanisch ausdrücken könnten, wenn sie nur wollten. Leider wollen sie nie.„
„Wenn jemand beständig mit finalen Begriffen hantiert und ebenso oft versichert, dass er sie eigentlich nicht brauche, aber den konkreten Beweis für seine Behauptung ständig schuldig bleibt, dann wäre es doch rational, ihm zu misstrauen und die Beweislast zu seinen Ungunsten zu verteilen. Dies ist bis heute nicht geschehen.“
(Mutschler HD (2005) Gibt es Finalität in der Natur? In: Kummer C (Hg.) Die andere Seite der Biologie. München.)
Die Behauptung, teleologische Begriffe könne man leicht ersetzten, wurde nie belegt und damit kann dieser Einwand nicht ernst genommen werden.
Martin Neukamm versucht es in seinem Buch „Evolution im Fadenkreuz des Kreationismus“ mit der Mehrdeutigkeit von Begriffen. Er führt an, dass Begriffe verschiedene Bedeutungen haben können. Als Bsp nennt er das Wort „gewichtig“, das je nach Kontext „schwer“ (physikalische Bedeutung) oder „bedeutsam“ (metaphorische Bedeutung) bedeuten könne.
Mit dieser Mehrdeutigkeit von Begriffen möchte Neukamm begründen, das teleologische Begriffe wie „Zwecken“ oder „Zielen“ metaphorisch gemeint seien. Diese Sprechweise sei verführerisch, „weil wir aufgrund unserer anthropomorphen Denkweise mit intentionalen Begriffen vertraut sind. Wenn z.B. gesagt wird, dass eine Blüte einer Biene Necktar anbiete, handle es sich um ein rethorisches Stilmittel und nicht etwa um die Beschreibung einer echten zweckgerichteten Handlung, […]. Folglich ist der Schluss auf eine echte Planmäßigkeit ebenso unzulässig, wie der Schluss auf einen Planer.“
Aus folgenden Gründen ist die Argumentation aber nicht stichhaltig: Man kann mit einzelnen Beispielen nicht allgemeine Aussagen begründen. Weiter muss der Unterschied zwischen Zwecktätigkeit und Zweckmäßigkeit beachtet werden. Eine Zwecktätigkeit braucht in der Tat Intelligenz und die Fähigkeit, auf festgesetzte Ziele hin zu wirken. Das kann einer Blüte natürlich nicht unterstellt werden.
Trotzdem ist das ganze System zweckmäßig . Zweckmäßigkeit bedeutet, dass Ziele in ein System hineingelegt sind, ob durch Programmierung, einen eingebauten Mechnismus oder auf andere Weise. In jedem Fall wurde also „hinter den Kulissen“ geplant. (Necktar ist vorhanden, damit Insekten angelockt werden)
In dem Sinn kann das ganze System Blüte-Bestäuber ohne Zweckkategorie nicht angemessen beschrieben und verstanden werden.
Außerdem müsste die teleologische Sprache – wäre sie nur ein Stilmittel – leicht durch eine nicht-teleologische Sprache (wie in der Physik) ersetzt werden können. Das ist aber wie bereits dargelegt bis heute nicht der Fall.
Zuletzt ist Neukamms Argumentation zirkulär: Er behauptet, dass aus einer anthropomorphen Denkweise intentionale Begriffe kommen, um diese dann als irreführend zu erklären, weil sie antropomorph seien. Das zu beweisende wird somit einfach vorausgesetzt. Zudem müsste er erklären, wo in einer Welt ohne Zwecke eine anthropomorphe Denkweise überhaupt herkommt.
Somit bleibt das Problem bestehen: Evolutionsbiologen sind zur hinreichenden Erklärung biologischer Funktionen auf Begriffe angewiesen, die das genaue Gegenteil von dem implizieren, was sie eigentlich aussagen möchten. Damit können berechtigte Zweifel an der Erklärungskraft rein natürlicher Prozesse für makroevolutive Innovationen geäußert werden. Die Natur erweckt den Eindruck einer Schöpfung. – Warum sollte sie keine sein?
Dieser Artikel basiert auf dem Buch „Schöpfung ohne Schöpfer?“ von Dr. Reinhard Junker und Dr. Markus Widenmeyer. Ausführlicher wird dieses Thema dort auf den Seiten 245 – 260 behandelt.