Blutige Propagandaschlacht auf hoher See
Hintergrund der Enterung des Hilfskonvois für Gaza durch Israel am 31.05.2010
Neben der „Free Gaza Bewegung“ (FG) und der „Europäischen Kampagne zur Beendigung der Belagerung Gazas“ (ECESG), war die türkische IHH Hauptsponsor der spektakulären Aktion mit sechs Schiffen. Drei weitere Schiffe waren wegen technischer Schwierigkeiten unterwegs liegen geblieben.
Zur Erinnerung: Israel blockiert den Gazastreifen, weil sonst – wie es an der syrisch/libanesischen Grenze geschieht – Waffen aus dem Iran eingeführt werden und weil dort ein israelischer Soldat, Gilad Schalit, seit Sommer 2006 festgehalten wird. Nicht einmal das Rote Kreuz durfte ihn bislang besuchen. Zudem wird Israel von Gaza aus ständig mit Raketen beschossen.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu erklärt die Politik seiner Regierung „ganz einfach“: „Humanitäre und andere Güter kommen rein. Waffen und Rüstungsgüter nicht.“ Ägypten, das die gesamte Südgrenze des Gazastreifens kontrolliert, hat seine eigenen Gründe, den Personen- und Warenverkehr mit dem von der radikal-islamischen Hamas beherrschten Küstenstreifen so weit wie irgend möglich einzuschränken.
Die „Friedensaktivisten“ der „Free Gaza“-Flotte lehnten das Angebot, die Hilfsgüter der Schiffe über den Hafen Aschdod nach Gaza hinein zu lassen ebenso ab, wie die Bitte des Vaters des von der Hamas verschleppten Gilad Schalit, ein Päckchen und einen Brief zu überbringen. Deshalb ist der Schluss des stellvertretenden israelischen Außenministers Danni Ajalon nicht von der Hand zu weisen: „Die Aktion ‚Free Gaza‘ hatte niemals eine humanitäre Zielsetzung, sondern war eine Provokation, um die Hamas zu unterstützen.“ Das Israelische Militär ist in diese Falle hineingetappt. Bisher scheint aber weder Politikern noch Journalisten oder gar „Friedensaktivisten“ eingefallen zu sein, von der Hamas die Freilassung Gilad Schalits oder eine Einstellung des Raketenbeschusses zu fordern, um so Israel wenigstens die Begründung zur Blockade des Gazastreifens zu nehmen.
Mehrfach weigerten sich die Besatzungen der sechs Schiffe am frühen Morgen des 31. Mai 2010, der Aufforderung der israelischen Kriegsmarine Folge zu leisten und in den Hafen von Aschdod einzulaufen. So beschloss die israelische Führung, die Schiffe zum Kurswechsel zu zwingen. Auf fünf Frachtschiffen der Flotte „Free Gaza“ gelang es den Marinesoldaten problemlos, das Steuer zu übernehmen. Auf dem Passagierschiff „Mavi Marmara“ aber waren die „Friedensaktivisten“ gut auf die Ankunft der israelischen Soldaten vorbereitet – wie Aufnahmen der Sicherheitskameras auf dem Schiff sowie Filmaufnahmen von „Friedensaktivisten“ bestätigen. Mit Schockgranaten und einem starken Wasserstrahl sollten die Elitesoldaten am Entern gehindert werden. Filmaufnahmen der israelischen Armee zeigen, wie Soldaten, die sich von einem Hubschrauber auf das Oberdeck der Mavi Marmara abseilten, brutal zusammengeschlagen wurden. „Wir waren auf passiven Widerstand und friedliche Demonstranten eingestellt“ – und dementsprechend nur leicht bewaffnet, erzählt Hauptmann R., „wir sahen uns jedoch Terroristen gegenüber, die uns töten wollten.“ Auch scharf geschossen wurde auf die Soldaten an Bord. Unter Deck wurde ein israelischer Soldat gefoltert, wie der Film eines Aktivisten zeigt, während eine Abgeordnete der Linken behauptet, dass niemand Gewalt gegen die Soldaten angewandt hat.
Aktivisten wollten „Märtyrer“ werden
Eigentlich hätten die israelischen Soldaten und ihre Kommandeure von Engagement und Motivation der Blockadebrecher nicht überrascht sein dürfen. Einen Tag zuvor hatte Dr. Abd al-Fatah Schajjek Naaman, Gastdozent aus dem Jemen an der Universität Gaza, im Al-Aksa-Fernsehen der Hamas verkündet: „Sie werden Widerstand leisten. Das sind Leute, die das Martyrium für Allah suchen. So sehr sie auch nach Gaza kommen wollen, das Martyrium ist doch erstrebenswerter.“ Tatsächlich gibt es Filmaufnahmen von Mitgliedern des Konvois „Free Gaza“, die ihren Wunsch „Schahid“, „Märtyrer“, zu werden, offen aussprechen. „Entweder Martyrium oder wir kommen nach Gaza“, verkündet eine Muslima leidenschaftlich zum Abschluss eines Berichts des arabischen Nachrichtensenders „Al-Dschasira“ vom 29. Mai 2010.
„Chaibar, Chaibar, Ihr Juden! Die Armee Mohammeds kehrt zurück!“, brachten sich die „Friedensaktivisten“ auf der Mavi Marmara in Stimmung – mit Sprechchören, die einem Außenstehenden nur schwer verständlich sind. Chaibar ist eine Oase im Nordwesten der Arabischen Halbinsel, in der zur Zeit des Propheten Mohammed viele Juden wohnten. Zusätzlich waren dorthin noch die Juden geflohen, die Mohammed aus Medina vertrieben hatte. Der Ruf „Chaibar, Chaibar“ assoziiert eine Schlacht „gegen die Feinde, bis diese sich dem Islam unterwerfen.“ Diese Schlacht wurde vom Gründer des Islam ursprünglich im Jahre 629 geführt. Der „Bund von Chaibar“ beinhaltet einigen Auslegern zu Folge, dass die Moslems die Juden vertreiben dürfen, wann und wie immer sie wollen. Eigentlich hätte Israels Geheimdienst vorher wissen müssen, wes Geistes Kind die „Friedensaktivisten“ der „Free Gaza“-Flotte waren.
Etwa 40 „Friedensaktivisten“ hatten keinerlei Ausweispapiere bei sich. Dafür waren sie aber mit Gasmasken, kugelsicheren Westen, Nachtsichtferngläsern und verschiedenen Waffen ausgestattet. Jeder dieser Männer hatte genau dieselbe große Summe Bargelds in der Tasche, alle zusammen mehr als eine Million US-Dollar. Israel vermutet, dass sie Al-Qaida-Söldner sind. Die Israelis stellten Knüppel, Eisenstangen, Messer, Metallgegenstände, Schleudern und Ketten sicher. Trotzdem bestreiten die Türken, dass sich Waffen an Bord der Mavi Marmara befunden hätten und behaupten stattdessen, die Türkischen Behörden hätten alle Passagiere mit modernsten Mitteln sorgfältig untersucht.
Zu diesen untersuchten Personen gehörte aber offensichtlich nicht das jemenitische Parlamentsmitglied Scheich Muhammad al-Hasmi, der sich vor dem israelischen Angriff mit seinem Krummdolch in entsprechender Pose auf der Mavi Marmara fotografieren ließ. Al-Hasmi gehört zur Al-Islah-Partei, die der ägyptischen Moslembruderschaft verbunden ist. Die Gegenwart von Parlamentsabgeordneten bei einer derartigen Aktion hätte eigentlich Garant dafür sein sollen, dass sie gewaltfrei verläuft. Doch Israel und die Welt hätte spätestens seit Jasser Arafats Rede vor der UNO im Jahre 1974, als sich der Palästinenserführer mit Olivenzweig und Pistole präsentierte, wissen müssen, dass waffenschwingende Volksvertreter in der arabischen Welt normal sind.
Von: Johannes Gerloff (Jerusalem) für http://www.israelnetz.de/
Von nefesch redaktionell bearbeitet am 04.05.2010