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Wiederkehrende Mutationen

Der folgende Artikel gibt den im „Studium Integrale Journal“ (26. Jahrgang ┃ Heft 2; Oktober 2019) erschienenen Artikel „Artübergreifende wiederkehrende Mutationen“ von Dr. Peter Borger wieder. Zitate ohne weitere Quellenangabe stammen direkt aus dem erwähnten Originalartikel.

Einleitung: Gleiche Mutationen (Kopierfehler beim Kopieren von DNA-Abschnitten) bei verschiedenen Arten gelten allgemein als eindeutige Belege einer gemeinsamen Abstammung von einem Vorfahren, der eine entsprechende Mutation weitervererbt hat. Zwingende Voraussetzung für diese Schlussfolgerung ist die Zufälligkeit aller Mutationen. Denn nur wenn Mutationen zufällig und ohne gezielte Steuerung auftreten, können sie zuverlässig auf Abstammungsverhältnisse hindeuten. Nun häufen sich aber die Befunde, dass Mutationen nicht immer zufällig auftreten.

Die am weitesten verbreitete Meinung ist: „Mutationen sind weder vorhersehbar, noch hängen sie zusammen mit Verhalten, Lebensstil oder Umweltumständen.“ Futuyma fasst in seinem evolutionären Lehrbuch zusammen:

„Mutationen sind in zweierlei Hinsicht zufällig. Erstens: Obwohl wir die Wahrscheinlichkeit vorhersagen können, dass eine bestimmte Mutation auftreten wird, können wir nicht vorhersagen, welche von einer großen Anzahl an Genkopien die Mutation durchlaufen wird. Zweitens … ist Mutation zufällig in dem Sinne, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Mutation auftritt, nicht davon beinflusst wird, ob sich der Organismus in einer Umgebung befindet, in der diese Mutation vorteilhaft wäre, oder ob das nicht der Fall ist.“ (Futuyma 2005)1

Der zweite Punkt von Futuyma hat sich inzwischen als falsch erwiesen, da gezeigt wurde, dass ein Organismus Mutationen gezielt als Reaktion auf Umweltveränderungen erzeugen kann.2,3,4 Der Artikel konzentriert sich daher auf die erste Art der Zufälligkeit. Sie ist eine Säule des darwin´schen Paradigmas (der Denkrahmen, in dem alles das Ergebnis rein natürlicher Prozesse durch Evolution ist) und „eine der wichtigsten Voraussetzungen phylogenetischer [stammesgeschichtlicher] Rekonstruktionen.“

Wenn jede Mutation als zufälliger Kopierfehler in DNA-Sequenzen eingebracht wird, so „wäre jedes Alignment [„Ausrichtung“: methodischer Vergleich zweier oder mehrerer DNA-Sequenzen] von Mutationen in DNA-Sequenzen ein sehr starkes Argument für eine gemeinsame Abstammung,“ vor allem wenn die gleiche Mutation in inaktivierten Genen verschiedener Arten vorkommt.

Eben diese Situation ist beim GULO-Pseudogen bei Primaten anzutreffen: Orang-Utans, Gorillas, Schimpansen und Menschen haben dieses Gen, weshalb es gerne als Beleg einer makrovolutiven Entwicklung vom Affenartigen zum Menschen angeführt wird. Wären alle Mutationen rein zufällig, wäre das GULO-Pseudogen tatsächlich ist starker Beleg für Makroevolution. Doch es häufen sich die Belege, dass Mutationen nicht immer zufällig sind.

Beispiele für wiederkehrende Mutationen:

Im 1G5-Gen von zwei Taufliegenarten (Drosophila melanogaster und Drosophila simulans) wurden 75 Mutationen gefunden.5 Sie sind gleichmäßig über die codierenden und nicht-codierenden Bereiche des Gens verteilt. Die Autoren der Studie schließen daraus, dass sich die 1G5-Gene in beiden Arten durch Anhäufung von Mutationen ohne den Einfluss natürlicher Selektion entwickelt haben.

Es entging ihnen dabei allerdings, dass die Mutationen im 1G5-Gen nicht zufällig in der Nukleotidsequenz des Gens verteilt sind. Bei Drosophila melanogaster finden nur bei einer beschränkten Anzahl von Positionen Mutationen im 1G5-Gen statt. – Es ist ein deutliches Muster erkennbar. (Ab hier kann es hilfreich sein, sich die Grafik auf Seite 78 des verlinkten Artikels anzusehen.)

Dieses Muster der Mutationen bei den zwei Taufliegenarten täuscht eine Illusion gemeinsamer Abstammung vor:

D. melanogaster ist erst ab 1875 auf dem nordamerikanischen Kontinent anzutreffen. Australien hat sie erst ab 1900 besiedelt und in Japan war sie vor etwa 1960 unbekannt. Heute hingegen ist D. melanogaster weltweit anzutreffen. Die heutigen Populationen in besagten Ländern sind also in jüngerer Zeit eingewandert und stammen von asiatischen und europäischen Populationen ab.

Studiert man die Sequenzen, fällt auf, dass sich eine italienische Population zuerst in den USA und dann in Peru niedergelassen hat. Das kann an fünf identischen Mutationen erkannt werden, die nur in diesen drei Populationen festzustellen sind. Die peruanische Population bestitzt weiterhin eine ähnliche Mutation, wie die japanische Population. „Darüber hinaus kann man schließen, dass zypriotische Taufliegen die Populationen in der ehemaligen UdSSR und im Irak gegründet haben, ebenso die von Kanada (Dmel4) und den USA.“

Es fällt außerdem auf, dass eine australische Population exakt das selbe „T“ auf Position 498 aufweist, wie die Populationen von den USA und Peru. Zuletzt ist noch dieselbe Mutation auf Position 861 in der australischen und amerikanischen Population anzutreffen.

„Diese Tatsachen legen nahe, dass Mutationen nicht nur zufällig in einem DNA-Abschnitt auftreten können.“ Ein Teil der normalerweise als Indiz gemeinsamer Abstammung gewerteten Mutationen könnte wiederkehrend sein.

Hätten uns keine geographischen Daten vorgelegen, hätten wir für die Populationen aus Australien (Dmel 1), Kanada (Dmel 4), Zypern (Dmel 5), Irak (Dmel 6), USA (Dmel 11) und Russland (Dmel 13) einen gemeinsamen, rezenten (noch lebenden) Vorfahren angenommen, da sie exakt die gleiche DNA-Sequenz besitzen. Ebenso hätten wir für die Populationen aus Italien (Dmel 7), Peru (Dmel 9) und den USA (Dmel 12 – andere Population, als Dmel 11) einen rezenten Vorfahren angenommen, wie auch für die Populationen aus Australien (Dmel 3) und Kanada (Dmel 4).

Wäre das Auftreten von Mutationen immer rein zufällig, wäre diese Schlussfolgerung berechtigt. „Die variablen Positionen im 1G5-Gen legen jedoch nahe, dass wir es hier mit gleichartigen, wiederkehrenden Mutationen zu tun haben.“ Gleicherweise zeigt sich, dass sich die DNA-Basen an diesen Positionen nicht wahllos verändern, „sondern durch einen ähnlichen Buchstaben ersetzt werden.“

Die wichtige Frage ist jetzt: Sind solche nicht-zufälligen Mutationen Ausnahmen oder ein allgemein auftretendes Phänomen?

Bei Menschen konnten wiederkehrende Mutationen bisher in der Kern-DNA6 und in der mitochondrialen DNA (mtDNA)7 lokalisiert werden. Selbst eine gleichartige Verlustmutation, welche die mtDNA um neun DNA-Basen verkürzt, trat in Afrika und Asien mehrfach unabhängig auf. Die Gewissheit, dass diese Mutation nicht auf Abstammung oder Auswanderung beruht, haben wir daher, dass sie in Afrika nur bei den Khoi-San, Pygmäen und den Bantus entdeckt wurde. Weiter wurde die gleiche Mutation „in Südostasien, Polynesien und in Nord- und Südamerika beobachtet.“8

Stichlinge, die in neue Lebensräume auswandern, machen oft sehr ähnliche Anpassungen durch: Sie verlieren die hinteren Beckenflossen. – Hier ist die Anpassung sogar schon vorhersagbar. Der Verlust der hinteren Beckenflossen ist meist mit einer Enhancer-Sequenz ( DNA-Abschnitt, der die Umschreibung in mRNA verstärkt) im Genom der Stichlinge verbunden.

„Diese Sequenz liegt in einem Bereich des Genoms, der aufgrund seines hohen Thymin-Guanin-Gehalts stark zum doppelsträngigen DNA-Bruch neigt.“ Der immer an dieser Stelle auftretende Bruch legt nahe, dass das Genom auf Umweltveränderungen vorbereitet ist, indem eine Sollbruchstelle eingerichtet wird, um schnelle Anpassungen durch wiederkehrende Mutationen zu ermöglichen.9

Umweltinduzierte wiederkehrende Mutationen:

2002 erschien eine Studie der Universität Münster, die nachwies, „dass wiederkehrende Mutationen auch ein generelles Phänomen beim Menschen sein könnten.“ Die Autoren der Studie hatten das Ziel die Auswirkungen einer natürlichen erhöhten Radioaktivität auf die Mutationsfrequenz des DNA-Moleküls zu untersuchen.

Radioaktive Strahlung kann vererbbare Mutationen hervorrufen, die nach allgemein akzeptierter Auffassung zufällig verteilt sind. Daher wäre ihre Verteilung auf der DNA-Sequenz nicht vorhersagbar. Diese Studie brachte jedoch den ersten empirischen Beleg, dass strahlungsinduzierte Mutationen nicht immer zufällig sind:

Die Wissenschaftler untersuchten die Mutationen einer menschlichen Population von Kerala. Das ist eine Region im äußersten Südwesten des indischen Kontinents. An den exotischen Stränden des indischen Ozeans ist die höchste natürliche radioaktive Strahlung weltweit anzutreffen, während andere Regionen in Kereala eine normale Radioaktivität aufweisen. Das Team aus Münster nahm nahezu tausend Blutproben von Probanden, die seit Generationen entweder an der stärker radioaktiven Küste oder dem normalen Hinterland lebten.

In Deutschland wurde die mitochondriale DNA auf das Vorkommen von Mutationen analysiert. In den Proben des stärker radioaktiven Gebietes waren 22 Punktmutationen (die Mutation betrifft nur einen „Buchstaben“) anzutreffen, während in der Kontrollgruppe nur eine Mutation vorhanden war. Dass Strahlung zu einer größeren Mutationsfrequenz führt wurde zwar erwartet, nicht aber, dass nahezu alle Mutationen auf Hotspots anzutreffen waren:

„Unglaublicherweise fördern diese radio-aktiven Umstände Mutationen auf Positionen,die seit mindestens 60.000 Jahren evolutionäre Hotspots sind“10

Mit den 60.000 (radiometrischen) Jahren spielt Foster auf die australischen Aborigines an, die nach gängiger evolutionärer Auffassung seit mindestens 60.000 (radiometrischen) Jahren von den in Kerala lebenden Menschen getrennt sind. In ihrer mtDNA finden sich die gleichen Mutationen. Diese Studie liefert also ebenfalls Hinweise auf wiederkehrende Mutationen, obwohl dies nicht das Ziel war.

Daraus kann man schließen, dass auch durch UV-Strahlung und oxidativen Stress verursachte Mutationen nicht zufällig sein müssen. Auch sie könnten wiederkehrend sein. Wenn das zutrifft, wären Mutationen insofern vorhersagbar, dass sie bevorzugt in bestimmten Bereichen auftreten. – Nämlich den Hotspots.

Das würde die bisherigen Vorstellungen zu molekularer Evolution erheblich in Frage stellen, da solche Mutationen eine gemeinsame Abstammung nur vortäuschen. Zahlreiche Stammbaumrekonstruktionen könnten auf Illusionen beruhen. Eine genetische Anpassung im Genom der Bewohner der Quebrada-Camarones-Region in der chilenischen Atacama-Wüste ist ein ähnliches Beispiel:

Diese schützt vor Arsenvergiftung. Als die Wüste vor mehreren tausend Jahren die Heimat der Ur-Chilenen wurde, waren sie auf Wasserquellen angewiesen, die eine hohe Konzentration an Arsen aufwiesen. Der Arsengehalt ist dabei manchmal mehr als 100 mal so hoch, als nach der WHO zulässig ist.

Unerwarteter Weise gewöhnten sich diese Menschen schnell an das vergiftete Wasser. Die Ursache war eine Mutation im AS3MT-Gen, die es dem Körper ermöglicht Arsen abzubauen und zu neutralisieren. „Frühere Studien fanden ähnliche Mutationen im AS3MT-Gen, die zu einem verbesserten Arsen-Metabolismus in Vietnam und Argentinien beitragen.“11 Auch diese Mutation scheint also wiederkehrend zu sein.

Mechanismen für wiederkehrende Mutationen:

Im Jahr 2017 wurden weitere Indizien dafür vorgestellt , „dass Mutationen an vorhersehbaren Positionen im Genom auftreten können.“ Merkwürdigerweise scheinen manchen Organismen lebenswichtige Gene zu fehlen. Eine Gruppe von Forschern um Adam Hargreaves beschreibt diese als „Dark DNA“. Diese Gene müssten eigentlich existieren, da sie besonders wichtige Funktionen erfüllen und lebensnotwendig sind.

Das Pdx1-Gen suchten sie vergeblich, ebenso wie 87 andere Gene in der Umgebung dieses Gens. Pdx1 steuert die Sekretion von Insulin und ist zusammmen mit einigen anderen Genen unabdingbar für das Überleben des Tieres. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass diese Gene nicht wirklich fehlten, sondern dass ihre DNA-Sequenzen „sehr reich an den Nukleotiden Guanin (G) und Cytosin (C) sind.“

GC-reiche Sequenzen verursachen für manche DNA-Sequenzierungstechnologien Probleme, daher ist die korrekte Reihenfolge viel schwerer nachzuweisen. Ein Teil der Gene enthält viel mehr Mutationen als erwartet. Sie sind mit Hotspots übersät und so häufig mutiert, dass sie mit Standartmethoden schwer nachzuweisen sind. Auf seiner Website schlussfolgert Hargreaves:

Hotspots mit hoher Mutationsrate innerhalb eines Genoms bedeuten, dass Gene an bestimmten Orten eine höhere Mutationswahrscheinlichkeit haben als andere. Dies bedeutet, dass solche Hotspots ein unterschätzter Mechanismus sein könnten, der auch die Richtung der Evolution beeinflussen könnte, was bedeutet, dass die natürliche Selektion möglicherweise nicht die einzige treibende Kraft ist.“ (Hargreaves 2017)12

Wie könnten Mechanismen für wiederkehrende Mutationen nun konkret aussehen? Systematische Studien zu wiederkehrenden Mutationen wurden weitgehend vernachlässigt, da man in der Evolutionsbiologie von vorn herein davon ausgeht, dass adaptive (nicht angeboren, sondern durch Anpassung entstanden) genetische Änderungen immer das Ergebnis zufälliger, selektionspositiver Mutationen sind.

Die wenigen zur Verfügung stehenden Daten entstammen einer Studie mit E. coli-Bakterien. In dieser Studie wurden zwei große DNA-Abschnitte untersucht. „Die Analyse des ersten Abschnitts ergab, dass 63% der 293 unabhängig aufgetretenen Mutationen auf nur 19 verschiedene Hotspots verteilt waren. Im zweiten Abschnitt machten die Forscher neun Hotspots aus, an denen der größte Teil der beobachteten 120 Mutationen lokalisiert war.“

Ein ähnliches Experiment ergab, dass 70% der Punktmutationen auf nur 2 Hotspots verteilt waren, die übrigen 475 Mutationen waren gleichmäßig auf 91 Positionen verteilt.13 Es ist also kein zufälliges Phänomen, dass sich Mutationen an bestimmten Genorten in Bakterien häufen. Es sind bisher unbekannte Mechanismen, die hier eine Rolle spielen. Diese können nur nachgewiesen werden, wenn eine ausreichend große Zahl an Individuen analysiert wird.

Eben dies macht das Exom Aggregation Consortium seit 2017. Es handelt sich um eine internationale Gruppe aus Wissenschaftlern, die Daten aus zahlreichen umfangreichen sequenzprojekten zusammenträgt, um sie für die „breitere wissenschaftliche Gemeinschaft“ zur Verfügung zu stellen.

Der öffentlich zugängliche Datensatz umfasst mehr als 60.000 DNA-Sequenzen von nicht-verwandten Personen. „Der Katalog enthält durchschnittlich eine Variante pro acht Basen des transkribierten [in mRNA umgeschriebenen] Genoms und liefert den bislang überzeugendsten direkten Nachweis für wiederkehrende Punktmutationen.“ Ungefähr die Hälfte der menschlichen Tumore gehen auf Mutationen an Stellen zurück, die inzwischen vorhersehbar sind, da sie auf einem oder mehreren Hotspots auftreten.14

Entgegen der bisherigen Annahme „führte die Genomsequenzierung zur Entdeckung einer erkennbaren Mutations-Signatur bei vielen menschlichen Krebsarten. Viele dieser Mutationen beschränken sich auf bestimmte DNA-Motive, die der Aktivität einer Familie von DNA-Deaminasen, der AID/APOBEC-Enzyme, zugeschrieben werden. Diese Enzyme sind Schlüsselakteure in der natürlichen und adaptiven Immunität, können aber zur Krebsentwicklung und zu einem klonalen Entwicklungsgang von Krebs beitragen, indem sie genomische Schäden aufgrund ihrer DNA-deaminierenden Aktivität induzieren. Daher liefert diese Protein-Familie, zumindest teilweise, eine Erklärung und einen biologischen Mechanismus für die Beobachtung von nicht-zufälligen, wiederkehrenden Mutationen.“14

Wiederkehrende Mutationen wurden wohl bisher nicht bemerkt, weil den bisher veröffentlichen Studien nicht ausreichend Datenmaterial zur Verfügung stand. Nur durch die Analyse großer Datenmengen können wiederkehrende Mutationen nachgewiesen werden. Diese Erkenntnis hat erhebliche Folgen für die Evolutionstheorie, vor allem wenn es um artübergreifende Mutationen geht.

Artübergreifende wiederkehrende Mutationen:

Die heute verfügbaren biologischen Fakten lassen darauf schließen, dass Mutationen nicht nur zufällig im Genom auftreten, sondern (auch) von molekularen Mechanismen gesteuert werden. Stellte sich das als ein generelles Phänomen heraus, welches bei verschiedenen Arten vorliegt, so hätte dies erhebliche Konsequenzen für die Hypothese der gemeinsamen Abstammung allen Lebens.

Denn Hotspots und wiederkehrende Mutationen würden eine gemeinsame Abstammung dann nur vortäuschen. Dieses Phänomen ist überall anzutreffen, wo genauer hingesehen wird. Zum Beispiel belegt auch eine detallierte Studie der DNA-Sequenz, die für das Enzym Alkohol-Dehydrogenase (ADH4) codiert, die nicht-zufällige Häufung von Mutationen.

Das ADH4-Gen wird bei Alkoholkonsum als erstes Gen aktiviert. „In den meisten Tieren, auch in den meisten Primaten, ist ADH4 ein langsam wirkendes Enzym und das Abbauen von Alkohol erfordert viel Zeit. Menschen und Menschenaffen haben jedoch eine Mutation, durch die Alkohol 40 mal schneller abgebaut werden kann.

Diese Mutation erlaubt es uns hin und wieder richtig zu feiern, ohne gleich einen 40-tägigen Kater zu bekommen. Die meisten Tiere werden sich aber von Alkohol fern halten, da sie diese Mutation nicht haben. Es gibt aber Ausnahmen: Das Fingertier z.B. ist ein kleiner Primat aus der Gruppe der Lemuren und besitzt die gleiche Mutation wie der Mensch und Menschenaffen.

Während Evolutionsvertreter diese Mutation bei Menschen und Menschenaffen noch auf gemeinsame Abstammung zurückführen könnten, muss sie beim Fingertier unabhängig aufgetreten sein, „da es zu einem völlig anderen Zweig des evolutionären Primaten-Stammbaums gehört.“16

Wäre das Auftreten von Mutationen immer rein zufällig, wäre nicht zu erwarten, dass die gleiche Mutation auf 2 verschiedenen Zweigen des Primaten-Stammbaums auftritt. Hier liegt also eine Illusion der gemeinsamen Abstammung vor.

Wenn wir uns die nicht-zufälligen Mutationen in Pseudogenen von reproduktiv isolierten Arten ansehen, ist die Illusion vollständig. (reproduktiv isoliert = mind. 2 Arten oder Populationen einer Art können sich aus verschiedenen Gründen nicht kreuzen.) „Ein in der evolutionstheoretischen Literatur ausführlich diskutiertes Beispiel sind die Mutationen im zehnten Exon (Abschnitt der DNA) des GULO-Gens.16

Es codiert für das Protein Gulono-Lactono-Oxidase und „katalysiert den letzten Schritt in der Biosynthese von Vitamin C“. Fast allen Tieren und Pflanzen ist dieser Syntheseweg eigen, denn er ist unabdingbar für die Synthese von Bindegewebe und „schützt als Antioxidans vor Alterungsprozessen.“

Trotzdem gibt es einige Tiere, die nicht in der Lage sind Vitamin C zu synthetisieren (herzustellen). Da diese Tiere aber ausreichend Vitamin C über ihre Nahrung aufnehmen, tritt keine Mangelerscheinung auf. Dazu gehören viele Früchte fressende Fledermäuse18, Meerschweinchen, alle Menschenaffen (Schimpanse, Gorilla, Orang-Utan) und der Mensch selbst.

Im Gegensatz dazu stehen die Neuweltaffen (Platyrrhini), eine Unterordnung der Primaten: Sie können Vitamin C in der Leber synthetisieren. Offenbar ist der Verlust der Fähigkeit Vitamin C zu synthetisieren häufig im Tierreich vorgekommen. So sind auch bei einigen Tierarten immer noch Teile des inaktiven GULO-Gens auszumachen.

Es ist möglich, dass sich das defekte GULO-Gen durch Gendrift (Zufällige, nicht durch Selektion bewirkte Veränderung des Bestandes an Genvarianten einer Population.) verbreitet hat, doch das ist eher unwahrscheinlich, wenn die Populationen groß waren. Erst wenn alle Organismen der Population einen genetischen Engpass (Eine Population wird zeitweise deutlich kleiner) durchlaufen hätten, könnte das defekte Gen in der ganzen Population fixiert werden. „Interessanterweise gibt es Hinweise, dass alle Tierarten einen solchen Engpass durchlaufen haben.“18

Der Hauptgrund für die dem GULO-Gen geschenkte Aufmerksamkeit ist der Umstand, dass eine ähnliche Deletion (Verlustmutation) auf Position 97 des zehnten Exons sowohl bei Menschen, als auch Orang-Utans, Schimpansen und Makaken vorkommt. Von Evolutionstheoretikern wird das natürlich als Beleg einer gemeinsamen Abstammung interpretiert.

Wären Mutationen immer zufällig wäre das tatsächlich ein starkes Indiz für eine gemeinsame Abstammung von Mensch und Affe. Es könnte aber auch Folge eines artübergreifenden Hotspots sein. In Verbindung mit dem bereits erwähnten Engpass wäre es dann möglich, „dass diese Organismen dieselbe Deletion unabhängig voneinander erhielten.“

Könnte diese Hypothese untermauert werden, wäre die Beweisführung auf molekularer Ebene für gemeinsame Abstammung fragwürdig. Alle vorhandenen Sequenzanalysen wurden mit nur wenigen Spezies durchgeführt20, 21, 22 und sind deshalb nicht geeignet um Hotspots auszumachen.

Aus diesem Grund haben Borger und Truman im Jahr 2007 eine eigene Studie durchgeführt, durch die ein nicht-zufälliger Hotspot an Position 97 ausgeschlossen werden sollte.23

„Abb. 2 [siehe Originalartikel] zeigt die DNA-Sequenz des zehnten Exons des GULO-Gens (Exon X), wie sie in 11 verschiedenen Organismen vorkommt. Beim Vergleich der Sequenzen ist sofort ersichtlich, dass mehrere Positionen Hotspots für Mutationen sind, darunter die Positionen 76 und 131. Aber auch die Deletion auf Position 97 ist ein Hotspot für Mutationen. Es ist auffällig, dass wir hier in allen untersuchten Organismen einen anderen DNA-Buchstaben auf dieser Position antreffen.

Wenn wir in Abb. 2 Position 97 von unten nach oben betrachten, lesen wir A-C-G-A-C-A-G. Der Vergleich der angrenzenden Positionen 96 und 98 zeigt immer G-G-G-G-G-G-G; es sind also sehr stabile, unveränderliche Positionen. Position 97 dagegen ist eine sehr variable Position. Von allen DNA-Buchstaben verändert sich Position 97 am häufigsten. Position 97 ist eine sehr instabile Stelle in einer DNA-Sequenz, an der Mutationen vorzugsweise auftreten. Wir konnten die Null-Hypothese, dass es sich hier um einen artübergreifenden Hotspot handelt, somit nicht ausschließen. Die Deletion kann sehr gut als artübergreifender Hotspot betrachtet werden.“

Bei Primaten äußert sich diese Instabilität in Form einer Deletion und täuscht somit eine gemeinsame Abstammung vor. Die Existenz von artübergreifenden wiederkehrenden Mutationen wird nicht nur das GULO-Gen belegt, sondern auch durch das ratoxidase-
Gen, welches ebenfalls die Illusion gemeinsamer Abstammung schafft.24

Homoplasie:

Artübergreifende Hotspots erklären auf elegante Weise ein unerwartetes Ergebnis der molekularen Phylogenetik und verdienen deshalb besondere Aufmerksamkeit: Homoplasie. Von Homoplasie spricht man, wenn Organismen, die in einem evolutionären Stammbaum nicht nah verwandt sind, identische DNA-Sequenzen haben.

„Homoplasie wird in der theoretischen Phylogenetik seit langem anerkannt, und man hat sich viel Mühe gegeben, ihre Ursachen zu verstehen und entsprechende Korrekturen vorzunehmen. Die beobachteten Muster […] geben jedoch Anlass zur Sorge, dass das Ausmaß der Homoplasie viel größer sei als bei allgemein akzeptierten Modellen der Sequenzevolution erwartet und dass die damit verbundenen Konsequenzen für die Grenzen der phylogenetischen Auflösung nicht ausreichend gewürdigt werden.“ (Rokas & Carroll 2006)25

Eine neuere Studie ergab, dass die meisten Mutationen, die beim Menschen für degenerative Krankheiten verantwortlich sind, auch bei Rhesusaffen auftreten, entgegen der evolutionstheoretischen Annahme aber nicht bei Schimpansen. Mensch und Rhesusaffe haben 229 Mutationen gemeinsam, der Schimpanse hat davon jedoch nur 97 Mutationen. In diesem Fall ähneln Rhesusaffen Menschen also mehr als Schimpansen.

Auch ein großer Teil der menschlichen Gene ähnelt Gorilla-Genen mehr als denen des Schimpansen, wie vergleichende Analysen zeigen. Damit müssen auch hier Homoplasien angenommen werden. Unser heutiges biologisches Wissen lässt nicht zu weiterhin ausschließlich von rein zufälligen Mutationen auszugehen. Im Gegenteil: Wir können mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen wo in bestimmten DNA-Sequenzen Mutationen auftreten werden, wenn wir nur ausreichend Sequenzdaten von möglichst vielen Probanden zur Verfügung haben.

Artübergreifende wiederkehrende Mutationen sind also eine plausible Erklärung für Homoplasie. Für Evolutionstheoretiker hingegen sind Homoplasien Störungen bekannter Abstammungslinien. Dabei ist es gut möglich, dass sie auf Grundlage des Darwin‘schen Paradigmas „auf das falsche Pferd gesetzt haben.“

Evolutionsvertreter gehen von vornherein von der Zufälligkeit aller Mutationen – bis auf einige bekannte Hotspots – aus und dass gemeinsame Abstammung wahr sei. Beide Annahmen haben sich aber als falsch erwiesen. „Die Experten schätzen, dass 10-15 % der Mutationen auf Homoplasie zurückzuführen sind.“25

Homoplasie könnte den nicht-zufälligen Charakter von Mutationen widerspiegeln. Damit schafft sie ein Dilemma: Wie soll zwischen Homologie und Homoplasie unterschieden werden? Woher wissen wir mit welchen Mutationen wir Abstammungslinien rekonstruieren können und welche artübergreifend wiederkehrend sind? Die Antwort: Es ist nicht möglich.

Es ist ohne weiteres denkbar, dass die makroevolutiven Stammbäume lediglich eine Illusion sind, „die durch eine Kombination von gemeinsamem Sequenz-Design [Sequenzähnlichkeit aus funktionellen Gründen / als Handschrift des Schöpfers] und artübergreifenden Hotspots erzeugt werden.“

Dafür spricht, dass die gemeinsame Abstammung von Mensch und Schimpanse aufgrund der neuesten genetischen Befunde sehr fraglich ist. Der genetische Unterschied kann aktuell auf 16% bestimmt werden und beinhaltet mehrere hundert Gene und eine Menge neuer genetischer Information, die naturalistisch nicht plausibel erklärt werden kann. „Diese neue, einzigartige biologische Information, die wir jeweils im Genom von Mensch und Tier vorfinden, ist ein klares Gegenargument zur These der universellen Abstammung.“

Bislang schienen bestimmte molekulargenetische Daten, wie angeblich vererbte Fehler, ein gewichtiges Argument gegen getrennt erschaffene Grundtypen zu sein. Die Entdeckung artübergreifend wiederkehrender Mutationen entkräftet dieses Argument nun und ermöglicht eine Interpretation im Schöpfungsrahmen:

Artübergreifende Mutationen können als Konvergenzen gesehen werden und stellen zugleich makroevolutive Stammbaumrekonstruktionen in Frage.

Literatur:

  1. Futuyma DJ (2005) Evolutionary Biology, 3rd ed.,Sinauer Associates, Sunderland, MA, p. 178-179. ↩︎
  2. Spetner L (1997) Not by Chance. The Judaica Press Ltd. ↩︎
  3. Bauer J (2008) Das kooperative Gen. Hamburg: Hoffmann und Campe. ↩︎
  4. Borger P (2008) Darwin Revisited, Scholars Press. ↩︎
  5. Schmid JK & Tautz D (1997) A screen for fast evolving genes from Drosophila, Proc. Natl. Acad. Sci. 94, 9746–9750. ↩︎
  6. Hernandez-Pacheco N et al. (2017) Identification of a novel locus associated with skin colour in African-admixed populations. Sci. Rep. 7:44548. ↩︎
  7. Ruiz-Pesini E, Mishmar D, Brandon M, Procaccio V & Wallace DC (2004) Effects of purifying and adaptive selection on regional variation in human mtDNA. Science 303, 223-236. ↩︎
  8. Soodyall H et al. (1996) mtDNA control-region sequence variation suggests multiple independent origins of an ‘Asian-specific’ 9-bp deletion in sub-Saharan Africans, Am. Hum. Gen. 58, 595-608. ↩︎
  9. Xie KT,Wang G,Thompson AC, Wucherpfennig JI, Reimchen TE, MacColl ADC, Schluter D, Bell MA, Vasquez KM & Kingsley DM (2019) DNA fragility in the parallel evolution of pelvic reduction in stickleback fish. Science. 363, 81-84. ↩︎
  10. Foster L, Forster P, Lutz-Bonengel L & Brinkmann B (2002) Natural radioactivity and human mitochondrial DNA mutations. Proc. Natl.Acad. Sci. 99, 13950–13954, ↩︎
  11. Apata M, Arriaza B, Llop E & Moraga M (2017) Human adaptation to arsenic in Andean populations of the Atacama Desert. Am. J. Phys. Anthropol. 163,192–199; doi: 10.1002/ajpa.23193. ↩︎
  12. Hargreaves A (2017) Introducing ‘dark DNA’ – the phenomenon that could change how we think about evolution. http://theconversation.com/introducing-dark-dna-the-phenomenon-that-could-change-how-we-think-about-evolution-82867 ↩︎
  13. Maki H (2002) The origin of spontaneous mutations: specificity and directionality of base substitution, frameshift, and sequence-substitutions mutageneses. Annu. Rev. Genet. 39, 297–303 ↩︎
  14. Chang MT et al. (2016) Identifying recurrent mutations in cancer reveals widespread lineage diversity and mutational specificity. Nature Biotechnology 34, 155–163. ↩︎
  15. Rebhandl S, Huemer M, Greil R & Geisberger R (2015) AID/APOBEC deaminases and cancer. Oncoscience 28, 320-333. ↩︎
  16. Gochman SR, Brown MB & Dominy NJ (2016) Alcohol discrimination and preferences in two species of nectar-feeding primate. The Royal Society. ↩︎
  17. Ohta Y & Nishikimi M (1999) Random nucleotide substitutions in primate nonfunctional gene for L-gulono-gamma-lactone oxidase, the missing enzyme in L-ascorbic acid biosynthesis, Biochim. Biophys. Acta 1472, 408–411. ↩︎
  18. Birney EC, Jenness R & Kayaz AM (2008) Inability of bats to synthesise L-ascorbic acid. Nature 260, 626-628. ↩︎
  19. Terborg P (2019) Überraschende genetische Engpässe – Hinweis auf eine globale Dezimierung der Tierwelt? Stud. Integr. J. 26, 39–42. ↩︎
  20. Ohta Y & Nishikimi M (1999) Random nucleotide substitutions in primate nonfunctional gene for L-gulono-gamma-lactone oxidase, the missing enzyme in L-ascorbic acid biosynthesis, Biochim. Biophys. Acta 1472, 408–411 ↩︎
  21. Nishikimi M, Kawai T & Yagi K, (1992) Guinea pigs possess a highly mutated gene for L-gulono-gamma-lactone oxidase, the key enzyme for l-ascorbic acid biosynthesis missing in this species. J. Biol. Chem. 267, 21967–21972.
    Nishikimi M et al. (1994) Cloning and chromosomal map-ping of the human non-functional gene for L-gulono-gamma-lactone oxidase, the enzyme for l-ascorbic acid biosynthesis missing in man. J. Biol Chem. 269, 13685–13688. ↩︎
  22. Inai Y, Ohta Y & Nishikimi M (2003) The whole structure of the human non-functional L-gulono-gamma-lactone oxidase gene – the gene responsible for scurvy – and the evolution of repetitive sequences thereon J. Nutr. Sci.Vitaminol. 49, 315–319 ↩︎
  23. Truman R & Terborg P (2007) Why the shared mutations in the Hominidae exon X GULO pseudogene are not evidence for common descent. J. Creat. 21. ↩︎
  24. Oda M, Satta Y,Takenaka O & Takahata N (2002) Loss of urate oxidase activity in hominoids and its evolutionary implications. Mol. Biol. Evol.19, 640-653. ↩︎
  25. Rokas A & Carroll SB (2006) Bushes in the tree of life, PLoS Biol. 4(11):e352. ↩︎

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